Ab sofort stellen wir in diesem Blog zukünftig in unregelmäßigen Abständen Texte zur Verfügung, die für die Paartherapie hilfreich sein können. Dabei werden wir auf alle möglichen Aspekte in Partnerschaften eingehen, um Licht auf die verschiedenen Felder und Ihre möglichen Fallen zu werfen. Denn wer versteht was das Problem ist kann in der Regel viel besser mit selbigem umgehen.
Mögen die Texte dazu beitragen…!
16. Mai 2018
Trennung – warum eigentlich?
Warum denken immer wieder so viele Menschen darüber nach, sich von ihrem Partner zu trennen? Ursprünglich sind sie einmal eine Beziehung eingegangen, aus gutem Grund, meist sogar war der Grund dafür ein Gefühl, welches als Liebe empfunden wurde. Und dann jedoch wird oft der Punkt erreicht, in welcher die ursprünglich getroffene Entscheidung auf einmal als Fehler erscheint und erwogen wird, sie rückgängig zu machen.
Worin liegt die Motivation hierfür, was sind die Auslöser? Hat sich einfach alles geändert, war früher alles anders und gab es einmal mehr Gemeinsamkeiten als Differenzen während es nun umgekehrt ist? Gibt es keine gute Basis mehr für ein Weitermachen wie bisher und steigt die Bereitschaft, den “Fehler” unter Umständen nachträglich zu korrigieren?
Ist hierbei auszuschließen, dass die Ursache womöglich auch in einer immer größer werdenden Reihe von Missverständnissen und Fehlwahrnehmungen liegen könnte? Können sich die Dinge im Laufe der Zeit nicht auch immer komplizierter darstellen sodass am Ende der Blick auf das Wesentliche gänzlich verstellt ist und man buchstäblich den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht?
Der Blog hat das Ziel, Ihnen auf zahlreichen verschieden Ebenen die unterschiedlichen Aspekte der Partnerschaft vor Augen zu führen, insbesondere diejenigen, welche regelmäßig dazu geeignet sind, eine Beziehung auf die Probe zu stellen und eine Krise hervorzurufen. Schließlich sind die meisten von uns zwar beziehungserfahren besitzen aber dennoch nicht das Know-how mit Problemen und Herausforderungen geschickt und zielführend umzugehen. Wie sollen wir auch? Schließlich haben wir alle nie wirklich gelernt, was Beziehungen bedeuten, wie sie funktionieren und wie man sie am besten in so sein Leben integrieren kann, dass am Ende das dabei herauskommt, was man eine glückliche Ehe nennt. Die Partnerwahl ist neben der Berufswahl eine der beiden zentralen Entscheidungen im Leben eines Menschen. Während für letztere jede erdenkliche Ausbildung angeboten wird, die einen oft jahrelang auf die berufliche Tätigkeit vorbereitet stolpern wir in Ehen oft mit einer nur denkbar vagen Vorstellung über die Mechanismen und Abläufe hinein, ohne zuvor jemals eingehend dafür ausgebildet worden zu sein. Wir gehen stillschweigend davon aus, eine lebenslange Beziehung zu führen sei einfach und selbsterklärend und bedürfe daher keinem anzueignenden Wissen. Diese Annahme hat sich jedoch für viele Paare als ungenügend oder falsch erwiesen, weshalb so viele Beziehungen auch nachträglich in die Brüche gehen. Hätte eine entsprechende Sachkenntnis in Beziehungsfragen vorgelegen, so wären viele Trennungen aus unserer Sicht auch durchaus vermeidbar gewesen. Wegen dieser ernüchternden Erkenntnis heraus möchten wir Beziehungen, die Ehe und ihre natürlichen Herausforderungen so gut wie möglich erklären und vor Augen führen um auf diese Weise dem Leser auch eine Art Werkzeug an die Hand zu geben, mit dessen Hilfe die Reparatur der eigenen Beziehung erleichtert werden soll.
Einer der elementaren Gesichtspunkte zur Lösung einer Beziehungskrise ist der Abschied von der Annahme, die eigene Situation sei gänzlich einzigartig und so auch noch nicht da gewesen. Wir möchten aufzeigen, wie ähnlich letztlich die Auslöser und Strukturen von Beziehungskrisen bei Paaren sein können und dabei behilflich sein, sich selbst und seinen Partner in die einzelnen Krisenarten einzuordnen. Ferner werden wir beleuchten, in welchem Ausmaß die Lebensphasen sowie die Lebensumstände Einfluß auf die Qualität einer Beziehung nehmen und somit manch eine temporäre Differenz im Laufe einer Partnerschaft als geradezu unvermeidlich erscheinen lassen. Durch die Bewusstmachung von der eigenen Normalität und gleichzeitig derjenigen von Partner und Situation im Allgemeinen können dann auch Lösungsansätze aufgezeigt werden, die zuvor nicht offenbar waren und sich der Wahrnehmung entzogen.
Verbote – sollten verboten werden
Beziehungskrisen sind in ihrer Wurzel zu einem Großteil auf eine Vielzahl von Verboten zurückzuführen, die einem im Laufe des Lebens als Schranken begegnen. Diese Verbote können explizit oder implizit erteilt worden, sie können aber auch der eigenen Person gegenüber ausgesprochen worden sein. Diese Selbstverbote haben sogar weithin noch schwerwiegendere Auswirkungen auf die Psyche als die Gesetze und Regeln, die von anderen aufgestellt wurden. Dieser Blog soll die zahlreichen Reglementierungen einer Beziehung einmal eingehend in ihrer Sinnhaftigkeit sowie auch Sinnlosigkeit unter die Lupe nehmen um so den Weg für eine erneute und vielleicht freiere Beurteilung zu ebnen. Weil Autonomie und Selbständigkeit des Menschen wertgebende Zutaten eines erfüllten und freien Lebens sind sollen sie auch hier ausreichend Platz in der Betrachtung erhalten.
Ferner werden wir auf die verschiedenen Phasen der Ehe eingehen und diese erklären, beginnend mit der Verliebtheit, über die Entscheidung zur Partnerschaft und anschließende Teambildung bis hin zur Phase der Beziehungspubertät der Partner, welche anschließend in der wahren Liebe zu enden vermag. Auch werden wir auf die klassischen Auslöser von Ehekrisen eingehen – meistens sind dies Außenbeziehungen und Fremdgänge – welche allzu oft sogar als Beziehungskiller fungieren. Aus diesem Grund werden wir diesem Aspekt auch eine erhöhte Aufmerksamkeit widmen, denn in den allermeisten Fällen spielen früher oder später dritte Personen in Partnerschaften eine übergroße Rolle, die es im Detail zu analysieren gilt.
Es soll in diesem Blog Wissen rund um das Thema Ehe vermittelt werden, welches den Grad des Verständnisses und der Akzeptanz für die eigene Person sowie für den Partner erhöhen kann. Gleichzeitig aber sollen auch Impulse transportiert werden, die im Idealfall dazu beitragen, die eigene Lebenssituation in einem neuen und erweiterten Lichte zu betrachten. Wenn dadurch gelänge, manchem Leser die belastenden Probleme mit Licht und Erkenntnissen derart zu erhellen sodass mehr Klarheit sich auf einmal und sogar nachhaltige Lösungswege offenbaren so würde uns dies von ganzem Herzen glücklich machen.
4.Juni 2018
Für eine erfolgreiche Paartherapie ist es wichtig, zu vestehen, dass sich die Liebe in Phasen entwickelt: von der ersten Verliebtheitsphase geht es über die Entscheidungsphase, die Teambildungsphase, die Individualisierungsphase schließlich hin zur letzten Phase: der Liebesphase. Diese steht am Ende und nicht am Anfang. Im Folgenden mehr dazu:
Die Phasen der Liebe
1. Verliebtheitsphase
Die erste Phase der Partnerschaft, wir nennen sie Verliebtheitsphase, weil sie in der Regel vom Gefühl eines Verliebtseins begleitet sein dürfte, ist von den fünf Phasen der Ehe am einfachsten zu beschreiben. Jeder kann sich vermutlich unter dieser Phase etwas Konkretes vorstellen oder hat Erinnerungen daran. Dennoch macht es Sinn, diese so wichtige Phase einmal näher zu beleuchten, ist sie meistens doch dafür verantwortlich, dass Sie überhaupt erst eine Lebenspartnerschaft eingegangen sind. Durch das Betrachten dieser Phase wird auch deutlich, wie es dazu kam, dass Sie jetzt dort stehen wo sie stehen. Gleichzeitig ist das Besinnen auf diese Phase in der Partnerschaft hilfreich und notwendig um eine Orientierung und Standortbestimmung vornehmen zu können. Denn mit dieser Phase hat alles seinen Anfang genommen.
Verliebt sein. Welche Energie haben allein nur diese zwei Worte! Wer war nicht selbst schon einmal verliebt und erinnert sich nicht mit höchster Freude daran. Verliebtsein ist ein Gefühl, welches kein Mensch auf dieser Welt jemals ablehnen würde und nach welchem sich jeder Mensch auch – mindestens zu irgendeinem Zeitpunkt in seinem Leben – gesehnt hat – vorausgesetzt natürlich, die eigene Liebe wird erhört und nicht abgewiesen. In der ersten Phase einer partnerschaftlichen Beziehung, der Verliebtheitsphase, ist dieser Schritt vollzogen und es besteht eine einvernehmliche Anziehung füreinander. Wir betrachten hier nun also nicht den Fall einer einseitigen geförderten Beziehung, in welcher nur einer der beiden Partner verliebt ist während der andere sich vielleicht eher aus anderen, mehr im Kopf als in der Seele entstandenen Gründen auf die Beziehung einlässt. Dies wäre dann eher unter dem Begriff einer Vernunftbeziehung zu betrachten, in welcher es ja sogar denkbar ist, dass beide Partner ohne das Gefühl des Verliebtseins auskommen und dennoch bereit sind, eine Beziehung einzugehen. Hier gehen wir auf den Idealfall ein, welcher gleichzeitig eigentlich auch der Normalfall sein sollte (es offenbar aber nicht ohne Weiteres ist): beide Partner sind ineinander verliebt. Wir analysieren einmal die Situation, die entsteht, wenn sich zwei Menschen voneinander angezogen fühlen, wenn sie möglichst viel Zeit miteinander verbringen wollen, wenn die Gedanken immer wieder an die andere Person streben und wenn bei diesem Gedanken Schmetterlinge im Bauch herumzufliegen beginnen. Dieses einzigartige, höchst angenehme und für die meisten Menschen sicherlich auch erstrebenswerte Gefühl der mentalen und physischen Durchdringung mit Wärme ist nicht zufällig die in Literatur und Musik am meisten beschriebene Emotion. Eine ungeheure Anziehungskraft geht von ihr aus und hat die Menschen seit je her bewegt und fasziniert.
In der Verliebtheitsphase also sind viele Mechanismen des normalen Lebens außer Kraft gesetzt, vieles ist nicht mehr was es sonst war. Die Wahrnehmung der Außenwelt verändert sich maßgeblich ebenso auch die eigenen Handlungen und Reaktionen. Vieles ist anders und meistens erscheint es besser zu sein. Menschen werden in der Verliebtheitsphase das, was wir als romantisch bezeichnen. Sie werden gefühlerfüllt, schwärmerisch, leidenschaftlich, empfindsam, enthusiastisch, beseelt, sentimental und oftmals sogar geradezu wirklichkeitsfern. Sie erhöhen ihren angebeteten Partner, nicht selten überhöhen sie ihn sogar. Es ist die berühmte rosarote Farbe in welche die Welt auf einmal eingetaucht erscheint. Denn das Gefühl der Verliebtheit, eigentlich ja zunächst nur vom Partner ausgelöst und auf diesen bezogen, überträgt sich unmerklich auch auf die Wahrnehmung der gesamten Außenwelt. Alles wird schöner, vieles akzeptabler und Menschen sehen auf einmal Lösungen wo sie bisher Schwierigkeiten und Probleme sahen. Einem verliebten Menschen erscheint vieles einfacher und machbarer zu sein als je zuvor. Zu Recht bezeichnete der romantische Dichter Friedrich v. Hardenberg, alias Novalis, einem Spezialisten auf dem Gebiet der verliebten Schwärmerei, diese Phase der romantischen Überhöhung als qualitative Potenzierung. Wer verliebt ist hat auf einmal das Gefühl ihm würden Flügel wachsen und er selbst über sich hinaus wachsen. Dies zeigt sich beispielsweise schon allein in der Bereitschaft den Partner, wenn man ihn länger nicht bei sich hatte, unbedingt und auf jeden Fall treffen zu wollen. Dabei werden dann weder Kosten noch Mühen gescheut und oftmals große Entfernungen überwunden, nur um den Geliebten für ein Paar Stunden erleben zu können. Lange Autofahrten oder Flüge für wenige gemeinsame Stunden, welche normalerweise als „nicht lohnend“ beurteilt worden wären, werden auf einmal bereitwillig und sogar mit Freude in Kauf genommen.
In der Regel beginnt die Phase der Verliebtheit mit seiner Vorstufe, dem Flirten. Hier ist schon eine Anziehungskraft vorhanden aber man hat zunächst noch den ersten Gang eingelegt. Man nimmt noch Maß , schätzt den anderen ein und überlegt sich unterbewusst, ob er als potentieller Partner überhaupt in Frage kommt. Man sendet werbende Zeichen aus, gibt zu verstehen, dass man sein Gegenüber begehrenswert findet und achtet seinerseits auf Signale, ob die Zeichen reflektiert werden und eine Resonanz entsteht. Ein einseitiges Flirten, also ein Werben ohne Widerhall, ist nicht nur sehr schnell frustrierend sondern findet auch sehr bald sein Ende. Hier findet sich das Vorbild schon in der Natur. Das Balzen in der Tierwelt ist bekanntlich nichts anderes als das Bestreben, beim anderen Geschlecht auf sich aufmerksam zu machen und sich als einen geeigneten Partner zu präsentieren. Findet das Balzen zudem in einer Gruppe von Tieren statt und gibt es Mitbewerber und Konkurrenten, dann ist das Ziel, sich nicht nur als geeignet sondern sogar noch als am besten geeignet und somit jedenfalls besser als die anderen zu verkaufen. Eine Ähnlichkeit mit der Medienwerbung unserer heutigen Konsumwelt für den Kampf um Kunden liegt auf der Hand. Während in der Natur die Tiere jedoch eindeutig auf Fortpflanzung und somit auf den Fortbestand der eigenen Gene und Art aus sind, leistet sich der Mensch durchaus den Luxus einer Beziehung, also einer zwischenmenschlichen Verbindung, die nicht notwendigerweise nur oder auch gar nicht auf Fortpflanzung ausgelegt ist. Menschen suchen in erster Linie in einer Beziehung Anerkennung, Zuneigung und Gemeinschaft. Tiere hingegen suchen sich einen Partner ausschließlich als Geschlechtspartner, welcher eine überlebensfähige Brut zu produzieren in der Lage ist. Natürlich gibt es auch Menschen die sich diese „Natürlichkeit“ erhalten haben und ebenso in erster Linie auf Sex aus sind, aber dann handelt es sich im Vorfeld eher um Verführung des Anderen in Form einer Manipulation, als um ein Flirten im eigentlichen Sinne. Tiere brechen übrigens den Balzakt in dem Moment ab, wenn der Balzpartner keinerlei Interesse mehr zeigt und sich abwendet. Bei Menschen ist dies anders: eine Ablehnung kann dazu führen, dass jetzt erst recht das Bedürfnis entsteht an sein Ziel zu gelangen – trotz der eingeschränkt positiven Aussichten. Der Mensch kann zudem etwas, was in der Natur absolut einzigartig und ansonsten unbekannt ist: er kann sich verlieben. Eine ausgesprochene Besonderheit und aus Sicht der Evolution ist dieses Gefühl sogar bestenfalls als überflüssig zu bezeichnen, denn es folgt bei oberflächlicher Betrachtung keinem direkten Sinn zur Erhaltung der Art. Aber der Mensch liebt es, sich zu verlieben. Schließlich ist es einfach ein wunderschönes Gefühl, denn es ist ein Cocktail aus vielen verschiedenen, schönen Emotionen: Leichtigkeit, Wärme, Zuversicht, Freude und vor allen Dingen Vorfreude. Wer verliebt ist freut sich dauerhaft auf das nächste Treffen, die nächste Berührung, die nächste gemeinsame Aktivität. In der Verliebtheitsphase ist man positiv aufgeladen wie eine Batterie in einem Radio, welches in einem fort Lieblingslieder spielt. Energetisch gesehen ist die Verliebtheitsphase eine der kraftvollsten im Leben überhaupt. Man fühlt sich danach, Bäume ausreißen und Dellen in das Universum drücken zu können. Für diese Zeit der frischen Liebe scheint die Welt nur noch zwei Personen zu gehören. Alles Leid der Welt gerät in den Hintergrund, die Schönheit der Dinge offenbart sich mehr denn je zuvor. Alles ist gut. Denkt man.
Man stelle sich nur einmal die erste Begegnung mit dem Menschen vor in den man sich verliebt. Für die meisten Menschen wird es hierzu auch Erinnerungen geben. Wenn es Liebe auf den ersten Blick ist dann gibt es sogar spontan körperliche Symptome: der Blutdruck steigt, die Herzfrequenz nimmt rasant zu, Muskeln fangen an leicht zu vibrieren oder gar sichtbar zu zittern. Die Durchblutung der Wangen nimmt zu, die Pupillen weiten sich und selbst die Produktion der Tränenflüssigkeit wird angeregt und führt zu glänzenden oder gelegentlich auch zu glasigen Augen. Ein faszinierendes Spiel beginnt. So wie sich bei Hunden zwei Rüden oftmals umkreisen wenn sie einander begegnen, um sich auszuloten und zu taxieren, so kreisen zwei Menschen, die sich anziehend finden, metaphorisch gesprochen auch umeinander, um sich zu erkunden, um sich zu erfahren. Meist spielt sich dies nach einem bestimmt Muster ab: man beginnt sich gewissermaßen gegenseitig Bälle zuzuwerfen. Diese bestehen sowohl aus Worten aber auch aus Gesten, manchmal genügen auch nur Blicke. Abhängig davon ob und wie die Bälle aufgefangen werden und wichtiger noch, ob und wie sie zurückgesendet werden, entscheidet sich die folgende Handlung. Das Spiel beginnt vorsichtig, keiner will sich eine Blöße geben, der Andere wird fein beobachtet. Mit jeder erfolgten positiven Erwiderung wagt man sich weiter vor, Schritt für Schritt. Und so ertastet man den anderen, prüft seine Reaktionen und versucht seine Gunst mehr und mehr zu erlangen. Es ist ein Geben und ein Nehmen. Je mehr der andere annimmt und je mehr der andere gibt, desto mehr steigt die eigene Erregung und Hoffnung und gleichzeitig auch der Grad der Verliebtheit.
In gewisser Weise bestimmt von nun ab auch jeder selbst zumindest mit, inwieweit das Gefühl einer Verliebtheit zugelassen wird. Dieser Aspekt ist wichtig, denn er wird auch im Beitrag über das Fremdgehen noch eine maßgebliche Rolle spielen. Wie erwähnt, beim Flirten handelt es sich um eine Art Ping-Pong Spiel, bei welchem die Bälle zunehmend höher und schneller abgetauscht werden. Es ist ein Dialog, dessen Intensität und Tiefe beide Parteien für sich selbstbestimmt stets mitgestalten. Denn wie viele Ballangaben und -annahmen durchgeführt werden entzieht sich nicht der Verantwortung des Einzelnen – im Gegenteil, man bestimmt zu jedem Zeitpunkt selbst ob man im Spiel bleibt oder nicht. Sich verlieben ist somit nicht ein passiver Akt, der einfach geschieht und über einen kommt. Zu einem gewissen Teil mag das der Fall sein, schließlich gibt es auch die unglückliche Liebe, die nicht erhört wird. Dies trifft aber nicht auf den hier betrachteten Fall zu, in welcher die Liebe ja in irgendeiner Weise erwidert worden sein muss, denn sonst wäre es ja gar nicht erst zu einer Partnerschaft oder Ehe gekommen.
Der Rausch der Liebe
Nicht ohne Grund wird die Phase der Verliebtheit als eine der schönsten des gesamten Lebens bezeichnet. Nicht umsonst wird die Liebe in jedem zweiten Lied besungen. Denn in der Tat kann die Liebe geradezu berauschend sein. Nicht nur äußerlich zeigen sich die beschrieben Symptome im Körper, auch der ganze Hormonhaushalt Gerät in Wallungen und zeigt sich u.a. in einer gesteigerten Produktion der fröhlich machenden Endorphine. Überschreiten diese Hormone eine bestimmte Schwelle, so führen sie zu einer Art Rauschzustand, der sich tatsächlich am besten mit der Einwirkung von euphorisierenden Drogen vergleichen lässt. Die Wahrnehmung kann in Folge dessen derart verändert und idealisiert werden, dass in gewisser Weise sogar die Zurechnungsfähigkeit als eingeschränkt betrachtet werden darf. Jeder hat in seinem Leben vermutlich auch schon einen verliebten Freund oder Bekannten erlebt, dem man zeitweise abgesprochen hat, noch Herr seiner Sinne zu sein. Das Selbstbewusstsein erhält einen denkbar großen Schub, man hat das Gefühl etwas ganz besonderes zu sein – mindestens für diesen einen Menschen. Mit dem wachsenden Gefühl der Liebe für einen anderen Menschen, der diese auch erwidert, nimmt in gleichem Maße auch die Anerkennung der eigenen Person, also der Selbstliebe zu. Die Bestätigung des eigenen Selbst durch einen anderen ist eine am stärksten positiv verstärkenden Faktoren der Verliebtheit. Vermutlich kommen zudem die Menschen nie so sehr aus sich heraus wie wenn sie verliebt sind. Sie wollen Dinge, die sie zuvor noch nie wollten, sie tun Dinge, die sie noch nie getan haben. Und natürlich spielt die Sexualität auch eine überragende Rolle in dem ganzen Zustand. Sex ist nun einmal, mit seinem faszinierenden Spiel aus Eroberung, Macht und Lust eine der anziehendsten Aktivitäten der Menschheit. Am Ende steht für die meisten das Ziel des Orgasmus welcher, wenn auch nur für eine ganz kurze Zeit, als absoluter Höhepunkt der Lustempfindung, als Stippvisite des Mount Everest der Freude empfunden wird. Wer verliebt ist, hat während er die Liebe empfindet das höchste Ziel unseres Seins erreicht – einfach glücklich zu sein. Kein Wunder also, dass Menschen sich von diesem Zustand so sehr angezogen fühlen und seit jeher versucht haben diesen möglichst weit in die Länge zu ziehen.
Das Ende der Verliebtheit
Niemand wird ernstlich von der Tatsache überrascht sein, dass auch die Tage der Verliebtheit in der Regel gezählt sind. Früher oder später neigt sich diese auf- und erregende Phase ihrem Ende zu. Das ist normal und letztlich ist das auch gut so. So wie die hormonelle Umstellung, wie sie in der Pubertät zu beobachten ist, nach ein paar Jahren abgeschlossen ist und Körper wie Psyche in die nächste Phase der Reifung übergehen, so wird auch das Gefühl der Verliebtheit langsam aber sicher durch ein anderes ergänzt oder sogar abgelöst. Nach der Zeit der überschwenglichen Überhöhung eines angebeteten Menschen folgt eine Phase der Abkühlung und der zunehmenden Realitätsnähe. Die überwiegend positiv gefilterte Wahrnehmung weicht einer schärfer konturierten Betrachtung, die Hormone beruhigen sich und das Gemüt ebenfalls. Aber wer kann sich schon vorstellen ein Leben lang auf einer rosa Wolke zu schweben und dauerhaft das hohe Lied der ewigen Liebe zu singen? Und vor allen Dingen ist die Frage, ob sich – wie alles im Leben – nicht auch die Verliebtheit einer Abnutzung anheimfallen würde, welche dann gleitend in die Langeweile übergeht. Kein auch noch so schöner Urlaub erweckt nach langer Zeit noch das gleiche Hochgefühl wie am Anfang, die Gewöhnung ist der Feind jeder Euphorie. Daher lohnt es sich, diese Phase der Verliebtheit mit dem höchsten Maß an Bewusstsein zu genießen und auszukosten. Je höher die Gegenwärtigkeit desto einprägsamer die Erinnerung und somit der Gewinn aus dieser Hoch-Zeit. Aber „Alles fließt“ hinterließ der griechische Philosoph Heraklit der Nachwelt und beschrieb damit die unabdingbare und kontinuierliche Wandlung aller Dinge. So wie die ewige Jugend des Körpers nicht vorstellbar ist, so wenig existiert sie auch im Reich der Gefühle. Wer glaubt, an der Verliebtheit ewig festhalten zu können wird enttäuscht werden, wer glaubt daran festhalten zu müssen täuscht sich ebenso. So mancher glaubt das Abklingen der erregten Verliebtheit sein ein Zeichen dafür, dass die Beziehung als solche sich zu Ende neigt und meint, sich bereits auf die Suche nach einem neuen Partner machen zu müssen. Das aber kann unklug und voreilig sein, denn es folgt nur eine erste Verschiebung der partnerschaftlichen Ebene von einer oberflächlichen Ebene hin zu einer Vertiefung der seelischen Verbindung. Das alte darf losgelassen werden, was folgt ist zunächst einmal die Frage wie es weitergehen soll mit der Beziehung. Denn wenn es eine Zukunft geben soll für die Beziehung dann muss ja irgendwie entschieden werden, wie diese auszusehen hat. Von der Verliebtheitsphase geht es nun also über in die Entscheidungsphase.
26.6.2018
2. Entscheidungsphase
Nach der Verliebtheitsphase folgt in der Regel die Entscheidungsphase. Dabei endet die Verliebtheitsphase nicht zu einem klar definierten Zeitpunkt und wechselt merklich in die nächste Phase, sondern wie in allen Phasen der Ehe gehen diese grundsätzlich nahtlos und überlappend ineinander über, mitunter überlagern sie sich sogar zu weiten Teilen.
Verliebtheit strebt nach Bindung. Jeder, der sich verliebt hat, beginnt früher oder später zu überlegen, ob die Person, welche diese starke Anziehungskraft auf einen ausübt möglicherweise dafür geeignet sein könnte, die eigene Person für längere Zeit, vielleicht sogar dauerhaft ein ganzes Leben lang zu begleiten. Man beginnt zu fühlen, dass eine neue, weiterführende Phase im Leben und ein Fortschritt ansteht. Wie der Name schon sagt, soll in der Entscheidungsphase die Entscheidung getroffen werden, wie es mit der Beziehung weitergehen soll. Die akute Verliebtheit mag schon etwas abgeflaut oder auch noch in vollem Maße vorhanden sein, in jedem Falle drängt sich mit zunehmend gemeinsam verbrachter Zeit die Frage auf, ob man mit dieser Person noch mehr Zeit zusammen verbringen möchte oder nicht, ob man vielleicht sogar einem Haus gemeinsam leben möchte.
Wer wird dem widersprechen wollen, dass diese Frage eine geradezu eminent Wichtige ist. Vielleicht gehört sie sogar zu den zwei wichtigsten Entscheidung im ganzen Leben. Neben der Wahl des Berufs hat wohl kaum eine Entscheidung solch eine Tragweite und derart lang anhaltende Konsequenzen wie die Entscheidung darüber, mit welchem Menschen ich vorhabe, mein Leben zu verbringen. „Drum prüfe, wer sich ewig bindet, ob sich nicht noch ‚was Besseres findet“ sagt der Volksmund und unterstreicht damit das Gewicht dieser Lebensentscheidung. Und in der Tat sollte man sich diese Entscheidung wahrlich nicht leicht machen. Wenn Sie diesen Text lesen dann ist dies möglicherweise ein Indiz dafür, dass Sie diese Frage nach dem Weiter in der Beziehung gerade sehr ernst nehmen und die Partnerschaft auf den Prüfstand stellen, bevor Sie im Begriff sind, eine Bindung für lange oder ewig einzugehen. Oder aber Sie finden, dass Ihnen die Entscheidung, die Sie einmal hinsichtlich Ihrer Partnerwahl getroffen haben, heute nicht mehr als gelungen erscheint und Sie prüfen, ob diese nun revidiert werden sollte.
Möglicherweise ist der Grund für die hohe Scheidungsrate – in Deutschland wird durchschnittlich jede dritte Ehe geschieden – darin zu suchen, dass heutzutage viele Menschen die Prüfung dieser Frage möglicherweise zunächst einmal nicht mit der gebotenen Sorgfalt durchgeführt haben. Oder aber die Trennung wurde auch in einer langjährigen Ehe von Beginn an billigend in Kauf genommen und somit die Beziehung kontinuierlich von einer expliziten Bereitschaft zur Trennung begleitet. Das war nicht immer so einfach möglich, denn noch in der Generation unserer Großeltern galt die Scheidung als menschlicher und gesellschaftlicher Makel und war von einer deutlichen Hemmschwelle gekennzeichnet. Heute ist die Scheidung längst nicht mehr stigmatisiert und wird von der Gesellschaft meist ohne größere Folgen toleriert. Während man vor nicht allzu langer Zeit noch von einer sogenannten „gescheiterten“ Ehe sprach, wenn zwei Menschen diese auflösten, so wird das heute in einem deutlich neutraleren Lichte betrachtet. Niemand wird mehr heute gesellschaftlich sanktioniert und isoliert weil er nicht sein Leben lang verheiratet oder mit dem gleichen Menschen zusammen bleiben möchte. Im Gegenteil : die Akzeptanz einer Scheidung oder Trennung ist so hoch, dass die Sorge vor diesem Ereignis niemand mehr ernsthaft davon abhalten würde, einen Trauschein zu unterzeichnen. Auch wenn die Eheschließung heute immer noch als beliebtestes Modell der langjährigen Partnerschaft zweier Menschen praktiziert wird, so ist die Ehescheidung wohl kaum mehr als unbeliebt zu bezeichnen. Denn auch wenn sie wohl von keinem als erstrebenswert angesehen werden dürfte, so gilt sie eben heute keineswegs mehr als unbedingt zu vermeiden.
Wie bei jeder Entscheidung, insbesondere bei wichtigen, geht es darum, sich die Zukunft in möglichst vielen Einzelheiten vorzustellen. Je konkreter und detailreicher man sich auszumalen vermag, was einem im Zusammenleben mit einem bestimmten Menschen aller Voraussicht nach erwartet, desto klarer und einfacher wird die Entscheidung. Spricht man mit Paaren über Aspekte in der Beziehung, welche irgendwann zum Problem geworden sind und nun als schwerwiegende Belastung empfunden werden, so geben sie oftmals an, dass diese sich auch schon zu Beginn der Partnerschaft abgezeichnet hätten. „Ich ahnte so etwas schon“, oder “ eigentlich war er immer schon so“ sind Sätze, die dann ausgesprochen werden.
In dem Wort Entscheidung steckt auch das Wort Scheidung und zwar im Sinne von etwas scheiden bzw. sortieren. In der Entscheidungsphase werden üblicherweise, oder besser gesagt, idealerweise alle Aspekte, die ein Zusammenleben positiv wie negativ beeinflussen können geistig gesammelt und zusammengetragen. Es entsteht eine Liste mit Eigenschaften, liebenswerten und auch weniger liebenswerten, hilfreichen und weniger hilfreichen, anziehenden und weniger anziehenden, die es einzeln zu betrachten gilt. Wer die Absicht hat, eine fundierte und nachhaltige Entscheidung zu treffen sollte jeden Aspekt durchgehen und nacheinander auf Auswirkung und Toleranz überprüfen. Letztlich wird alles zusammen in zwei Waagschalen gegeben und einem sorgfältigen Abwägungsprozess unterworfen.
In der Theorie. Viele Paare realisieren die Tragweite der Entscheidung über ein langjährige Partnerschaft nur sehr eingeschränkt oder verspätet und lassen die notwendige Sorgfalt, welche eine Wahl dieser Tragweite erfordert manchmal vermissen. Sie gehen davon aus, dass die Tatsache eines Verliebstheitsgefühls ausreichend für gemeinsame Zukunft zu sein hat und lassen sich arglos auf eine weitere Bindung ein. Während wir in unserem Privatleben in einem erstaunlichen Maß bereit sind, Entscheidungen zu treffen, die nur auf einem Bauchgefühl oder einer Intuition fußen und oft sogar nur aus einer Laune heraus getroffen werden, so beobachten wir zum Beispiel in der Wirtschaft eher das genaue Gegenteil. Kein Manager würde je ein Unternehmen kaufen, nur weil er sich in die Produkte verliebt hat oder mit den Mitarbeitern mehr Zeit verbringen möchte. Mit großer Selbstverständlichkeit wird eine Firmenfusion einem detaillierten Eignungsprozess unterzogen, die Produkte auf Qualität und Innovation, die Absatzmärkte auf Bedarf und Nachfrage hin untersucht. Verkaufs- und Gewinnzahlen werden analysiert, verglichen und extrapoliert, Chancen postuliert und Erträge vorausberechnet. Immer ist der Blick konkret auf die Zukunft und nicht auf den Moment gerichtet. Die Entscheidungsphase hinsichtlich einer Bindung hat in der Wirtschaft sogar einen eigenen Namen erhalten, welcher unter dem englischen Begriff „Due Diligence Prüfung“ bekannt geworden ist. Die Übersetzung des Begriffs lautet sinngemäß „gebotene Sorgfalt“ und beschreibt einen Prozess, in welchem es dem Käufer oder – im Falle einer Fusion – den Fusionspartnern erlaubt, Einblick in die Zahlen der anderen Firma zu erhalten um zu einer fundierten und möglichst ungeschönten Grundlage für die anstehende Entscheidung zu gelangen. Immer ist es eine Kosten-Nutzen-Rechnung, die der Entscheidung zugrunde gelegt wird und immer ist das erklärte Ziel, in der Zukunft gemeinsam besser dazustehen als allein.
Dem einen oder anderen mag dieser nüchterne Vergleich als zu berechnend, kalt und auf die menschliche Bindung nicht unbedingt übertragbar erscheinen. Und doch erscheint diese Gegenüberstellung einer gewissen Legitimität nicht zu entbehren weil jede menschliche Handlung grundsätzlich auch immer eine Konsequenz und somit auch sowohl einen Nutzen als auch auch einen Preis beinhaltet. Ob ich Tomaten kaufe und dafür einen Preis pro Kilo bezahle, ob ich einen Urlaub plane und dem Veranstalter Geld überweise, um ein paar schöne Tage oder Wochen zu verbringen oder ob ich mich entschließe einen Spaziergang zu machen oder einen Freund zu besuchen. Immer gibt es einen Gegenwert, den ich zu erbringen habe, und zwar in einer von mehreren denkbaren Währungen. Diese können Zeit, Unabhängigkeit, Energie, Krankheit oder Geld heißen. Dem gegenüber stehen dann Gewinne wie Freude, Kraft, Selbstbewusstsein, Gesundheit oder einfach gute Gefühle. Aber irgendetwas wird immer gegeben um etwas zu erhalten. Immer hat alles seinen Preis. In der Wirtschaft wie auch im gesamten Leben.
In der Entscheidungsphase, und natürlich ganz besonders in der sekundären Entscheidungsphase, also wenn nicht etwa die Entscheidung zur Ehe sondern vielmehr die zur Auflösung derselben, nämlich zur Scheidung ansteht, sollte sich jeder Mensch mit der Frage auseinandersetzen, was eine spätere Trennung für ihn, den Partner und möglicherweise auch für die Kinder bedeuten würde. Die konkreten Konsequenzen einmal durchzuspielen ist hierbei eine hilfreiche Übung. In der Paartherapie fordert Nadja bei scheidungswilligen Partnern, beziehungsweise wenn mindestens einer der beiden eine Scheidung eruiert, beide Partner stets auf, sich diese Trennung einmal konkret vorzustellen und in allen Einzelheiten durchzuspielen. Wer verlässt die gemeinsame Wohnung, wie wird gegebenenfalls das Vermögen aufgeteilt, wer bekommt das Haus, bei wem bleiben die Kinder? Und vor allen Dingen: wie werde ich mich bei alledem fühlen? Das Hineinfühlen ist hierbei ein ganz entscheidender Faktor, weil Gefühle deutlich intensiver erlebt werden als etwa nur vorgestellte Bilder. Auch wenn man sich vorstellen kann, seinen Partner im Zorn in die Wüste zu schicken so heißt das noch lange nicht, dass man damit schon die Gefühle abrufbar hat, die sich einstellen, wenn der Partner dann auch tatsächlich nicht mehr wiederkommt. Hier werden in der Regel die meisten „Planungsfehler“ gemacht,weil man sich die Auswirkungen nicht in aller Konsequenz vergegenwärtigt hat.
Im Falle unserer beider Ehe war es so: wir beide hatten uns von vornherein vorgenommen eines in unserem Leben unbedingt zu vermeiden: eine Scheidung. Nadja entstammt aus einer geschiedenen Ehe, Clemens aus einer schwierigen aber nie geschiedenen Ehe, obwohl es nicht selten nach Trennung aussah. Als Kind hat Nadja unter der Trennung ihrer Eltern wie die meisten Kinder naturgemäß sehr gelitten und sich geschworen, dies ihren Kindern möglichst zu ersparen. Clemens hatte die Komplikationen seiner elterlichen Ehe intensiv erlebt und ebenfalls darunter sehr gelitten. Daraus folgte bei uns beiden naturgemäß eine unterbewusste Bereitschaft, uns gegenseitig auf Herz und Nieren zu prüfen, ob wir denn nun auch wirklich die richtigen seien, um zusammen zu leben. Dabei unterzogen wir uns gegenseitig, mehr unter- als bewusst, einer Reihe von Herausforderungen, auf die im Nachhinein am besten das Wort „Stresstest“ Anwendung finden dürfte. Immer wieder haben wir in diffizilen Situationen ergründen wollen, wie der andere reagiert, wo er steht, wie er handelt….
Wenn man ein klares Ziel vor Augen hat, ganz gleich ob es sich um eine Urlaubsreise, ein berufliches Projekt oder einen Hausbau handelt, so werden sich Bilder einstellen, welche das Endprodukt genau beschreiben. Des weiteren werden sich auch Gefühle einstellen, die man gewissermaßen im Voraus empfindet weil man sich in die gewünschte Situation hineindenkt. Beim Urlaub sieht man sich schon am Strand liegen oder bei einem Glas Wein auf der Piazza in südlicher Wärme. Beim Projekt im Job strebt man ein klares Endergebnis an, welches Profit, Effizienz oder vielleicht auch Anerkennung verheißt. Der Hausbau ist vielleicht eine der besten Möglichkeiten, um Vorausschau zu üben. Denn jeder Raum muss im Voraus visualisiert, durchschritten und geplant werden. Von wo komme ich in den Raum, was will ich dann dort, was soll er enthalten, wieviele Steckdosen und Schalter werde ich dann benötigen? Und so weiter. Niemand würde seinem Architekten sagen, er solle einfach mal ein schönes Haus bauen, sondern wird sich selbst eingehend darüber Gedanken machen, wie es die eigenen Bedürfnisse und die der Familie zu befriedigen am besten geeignet sei. Ganz klare Vorstellungen werden entwickelt und dann auf ihre Umsetzung sorgfältig geachtet. Auch würde niemand sich in ein Auto setzen und einfach unbekümmert losfahren. Nein, wir benutzen ein Auto immer dann wenn wir eine exakte Vorstellung davon haben wohin und bis wann es uns bringen soll.
Auch bei Eheentscheidungen sollten die gleichen Prinzipien Abwendung finden. Auch hier sollte man das Zusammenleben einmal detailreich vor seinem geistigen Auge durchspielen und durchfühlen. Paare berichten, wie gesagt, immer wieder davon, dass sie im Grunde genommen viele spätere Probleme in der Beziehung schon frühzeitig klar gesehen oder mindestens erahnt haben. Dies bedeutet, die Differenzen waren schon im Vorfeld erkennbar aber man hat sie nicht so ernst genommen oder wollte sie nicht so genau ansehen. Für Entscheidungen mit großer Tragweite ist das Schönreden nie eine gute Basis. Denn wenn sich Probleme abzeichnen so werden sie früher oder später auch eintreten. Von daher macht es Sinn, sich mit diesen Aspekten frühzeitig auseinander zu setzen und nicht erst zu warten bis sie eine belastende Energie angenommen haben.
Viele Paare nehmen die Entscheidungsphase nicht sonderlich ernst. Sie glauben, die erlebte Verliebtheit reiche aus, um sich an diesen Menschen auch zu binden. Oder, wenn der andere verliebter ist als sie selbst, glauben sie diese Liebe des Partners reiche aus für beide und für ein ganzes Leben lang. Vielleicht haben sie sich auch lange nach einem Partner gesehnt und wollen jetzt nicht die verschlossenen Augen öffnen, sondern schnellstmöglich zugreifen. Vielleicht ist ja auch schon ein Kind unterwegs. Eine blinde Entscheidung ist aber ein bisschen wie ein blindes Roulette. Man kann Glück haben und es geht gut oder man kann eben auch Pech haben, es mißlingt und man verliert seinen Einsatz. Wenn die Entscheidungsphase nicht wirklich durchlebt wurde dann kann es sein, dass die Entscheidung auch irgendwann wie ein Glücksspiel erfahren wird. Hat vielleicht einer der Partner die Entscheidung vorangetrieben während der andere eher zögerlich war, so fühlt man sich am Ende vielleicht so, als sein man eher geheiratet worden und habe selbst nicht eine autonome Wahl getroffen. Wenn Sie in einer fortgeschrittenen Phase der Beziehung Zweifel haben und sogar überlegen sich zu trennen, da sind sie entweder wieder in der Entscheidungsphase oder vielleicht immer noch. Im Grunde genommen ist die Entscheidungsphase klar definiert: sie ist erst dann beendet wenn sie in einem klaren Ja oder einem klaren Nein für oder gegen den Partner mündet. Ein Jein ist keine Entscheidung, bei einem Jein ist die Phase der Entscheidungsfindung noch in vollem Gange.
Üblicherweise beginnt die Entscheidungsphase schleichend und langsam. Ein Indiz für ihren Beginn ist das Bekannt- und Offiziellmachen der Beziehung. Durch die Tatsache, dass man sich zum Anderen öffentlich bekennt deutet auf die Bereitschaft hin, sich auf eine Entscheidung vorzubereiten. Fortgeschritten ist es wenn man eine Wohnung teilt und zusammenzieht. Beides kann schon als Vorentscheidung oder auch zunächst nur als Entscheidungshilfe angesehen werden. Man schafft auf diese Weise Fakten, setzt sich gewissermaßen auch leicht selbst unter Druck, und begibt sich so in eine Art Testphase. Nun kann man unter lebensnahen Bedingungen in einem „scharfen Durchgang“ den anderen beobachten, prüfen und erleben. Ziel sollte es immer sein, so bald wie möglich Klarheit zu erhalten, ob der Partner wirklich zu einem passt und für eine langfristige Beziehung geeignet ist. Immer wieder trifft man auf Paare, die auch noch nach vielen Jahren in der Entscheidungsphase stecken geblieben sind. Oft liegt es auch an einem von beiden wenn dieser sich nicht wirklich entscheiden oder binden, also ja oder nein sagen kann. Die Beziehung schwelt dann wie ein nicht entzündeter Brand vor sich hin. Einer von beiden beginnt dann ab und zu nachzufassen, versucht beim anderen eine Entscheidung herbeizuführen, merkt aber oft, dass er nicht weiterkommt und bricht seinen Entscheidungsversuch wieder erfolglos ab. Und weil dieser dann oftmals nicht bereit ist, die Konsequenzen einer Trennung anzunehmen und zu tragen willigt er stillschweigend in eine erneute Verlängerung der Entscheidungsphase ein. Dies ist dann zwar unbefriedigend kann sich aber auch über Jahre hinziehen.
Die Tragweite der Lebensentscheidung für einen Partner zu erkennen ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für eine nachhaltig gute Beziehung. Eine langfristige Partnerschaft einzugehen, bedeutet sich nicht nur mit einem Menschen einzulassen sondern in weiten Teilen auch mit ihm zu verwachsen. Wie bei zwei Bäumen, die sehr eng beieinander stehen und gemeinsam groß und älter werden kommt es oft zu einer Verschmelzung der Rinde im unteren Teil des Stammes. Dies geschieht, weil einfach nicht genug Raum vorhanden ist um gänzlich individuell zu wachsen. Die Verschmelzung ist dann unvermeidbar – so wie dies auch in einer Ehe der Fall ist. Werden die Bäume zu einem späteren Zeitpunkt getrennt und auseinandergesägt so entstehen notwendigerweise Verletzungen, welche die Bäume Schwächen und es entstehen Wunden, die nur schwer oder auch niemals gänzlich verheilen und vernarben. Und wie bei den Bäumen erfolgt nach der Trennung auch eine schwächende Entwurzelung, ein neuer Standort mit neuer Erde muss gesucht werden um dort dann wieder gedeihen zu können. Wenn der bisherige Standort von Widrigkeiten, also von Schatten, Wasser- oder Nährstoffmangel gekennzeichnet, so kann eine Veränderung natürlich gelegentlich auch eine Verbesserung darstellen. Aber eine Trennung bedeutet immer auch ein Verlust eines nicht geringen Teiles des eigenen Selbst. Denn man hat über einen langen Zeitraum hinweg zusammen gelebt, gegessen, geplant, geteilt, geschlafen und Erfahrungen gesammelt. Das ist nicht wegzuradieren, die Rinde ist schon mehr oder weniger verwachsen, ob man dies wollte und gemerkt hat oder nicht.